LG Berlin – Az.: 63 S 206/16 – Urteil vom 21.03.2017
Auf die Berufung des Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen sowie der Berufung der Klägerin – das am 22. Juni 2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 4 C 366/15 – abgeändert und neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.704,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Februar 2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt für 2007 bis 2014 Rückzahlung geleisteter Nebenkostenvorschüsse in Höhe von insgesamt 9.158,19 EUR, soweit sie nicht durch zwischenzeitlich abgerechnete Heizkosten verbraucht sind.
Sie macht geltend, die Umlage der sog. kalten Betriebskosten sei im Mietvertrag nicht wirksam vereinbart.
Der Beklagte meint, im Mietvertrag sei eine ausreichende Grundlage für die Umlage auch der kalten Betriebskosten vereinbart. Er erhebt im Übrigen die Einrede der Verjährung.
Das Amtsgericht hat der Klage mit Ausnahme der Vorschüsse für 2013 stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von 7.623,60 EUR verurteilt. Der Mietvertrag der Parteien lasse bei einer Gesamtbetrachtung nicht hinreichend erkennen, dass neben den Heizkosten auch die sog. kalten Betriebskosten umzulegen seien. Der Anspruch der Klägerin sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist laufe erst ab Erteilung der Abrechnungen für 2007 bis 2011 am 17. Oktober 2012. Die Klageeinreichung am 31. Dezember 2015 sei danach rechtzeitig. Für 2013 bestehe indes kein Rückzahlungsanspruch der Klägerin, weil sie gegen die Abrechnung vom 18. September 2014 nicht innerhalb von einem Jahr Einwendungen erhoben habe. Diese seien erst in der Klage nach Ablauf der einjährigen Frist erfolgt.
Hiergegen richten sich beide Parteien mit ihren selbstständigen Berufungen.
II.
A. Berufung der Klägerin
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Amtsgericht hat einen Rückforderungsanspruch der Klägerin für 2013 zutreffend verneint, weil die Klägerin innerhalb der Einwendungsfrist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB keine Einwendungen erhoben hat.
Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass dies entgegen der vom Amtsgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12. Januar 2011 – VIII ZR 148/10, GE 2011, 329; Urteil vom 10. Oktober 2007 – VIII ZR 279/06, GE 2008, 46) anders zu beurteilen sei, wenn es nicht um die Zulässigkeit der Umlage einzelner Betriebskostennachzahlung, sondern um die Umlagefähigkeit der kalten Betriebskosten insgesamt gehe. Zum einen widerspricht auch dies dem Sinn und Zwecke der alsbaldigen Befriedung. Zum anderen ist die Umlagefähigkeit der Heizkosten außer Streit, sodass es auch im vorliegenden Fall lediglich um die Umlage weiterer Betriebskosten geht. Jedenfalls hat der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung nochmals klargestellt, dass es unerheblich ist, ob lediglich für einzelne Betriebskostenarten oder für die Betriebskosten insgesamt keine Umlagevereinbarung getroffen worden ist. In beiden Fällen handelt es sich um einen inhaltlichen Fehler der Abrechnung, der zu rügen ist (BGH, Urteil vom 11. Mai 2016 – VIII ZR 209/15, GE 2016, 854; Urteil vom 18. Februar 2014 – VIII ZR 83/13, GE 2014, 661; Urteil vom 31. Januar 2012 – VIII ZR 335/10, GE 2012, 543).
Die fehlende Rüge wird auch nicht durch die vorangegangenen Rügen betreffend die Abrechnung für 2012 und die Abrechnungen für 2007 bis 2011 ersetzt. Vielmehr ist die Rüge für jede Abrechnung zu wiederholen (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – VIII ZR 185/09, GE 2010, 901).
II.
B. Berufung des Beklagten
Die Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.
Der Beklagte ist gemäß § 812 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung der für 2010 bis 2014 von der Klägerin gezahlten Nebenkostenvorschüsse (nur) in Höhe von 4.704,11 EUR verpflichtet, soweit sie nicht durch die entstandenen Heizkosten verbraucht sind. Die darüber hinausgehenden Vorschüsse sind ohne Rechtsgrund geleistet. Die Klägerin war nicht zur Zahlung von Vorschüssen auf die kalten Betriebskosten verpflichtet, weil es insoweit an einer wirksamen Vereinbarung der Parteien gemäß § 556 BGB fehlt.
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, dass die von der Klägerin in Ablichtung vorgelegte Vertragsurkunde nicht unterzeichnet ist. Denn von Seiten des Beklagten wird nicht in Abrede gestellt, dass ein Vertrag zwischen den Parteien auf dieser Grundlage besteht und hiervon beide Parteien im Rechtsstreit auch ausgehen. Der Beklagte beruft sich zu seinen Gunsten auch auf diese Vereinbarung, wonach die Klägerin für die kalten Betriebskosten Vorschüsse schuldet.
Das Amtsgericht hat jedoch mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass die Parteien keine wirksame Vereinbarung dahin getroffen haben, dass die Klägerin für die kalten Betriebskosten Vorschüsse zu zahlen und der Beklagte hierüber abzurechnen habe.
Zwar könnte sich aus der verbindenden Klammer vor dem ausgewiesenen Nebenkostenvorschuss in § 7.1 des Mietvertrags ergeben, dass dieser sowohl für Heizkosten als auch für die sog. kalten Betriebskosten zu zahlen ist. Gegen eine derartige Auslegung sprechen hingegen alle übrigen Umstände. Diese lassen einen Willen der Parteien für die Vereinbarung von abzurechnenden Vorschüssen auch für die kalten Betriebskosten nicht erkennen. Das folgt schon aus den unterschiedlichen Vereinbarungen über Heizkosten und die Betriebskosten in § 9 und § 17 des Mietvertrags. Dabei muss man auch den Aufbau des Formulars beachten, wonach zu ergänzende Lücken stets in einem Rahmen stehen. In § 9 des Mietvertrags sind betreffend die Heizkosten die Lücken in diesem Rahmen ausgefüllt, indem ein Verbrauchsanteil nicht und als Umlagemaßstab die Verwalter-Abrechnung vereinbart worden ist (ob dies letztlich zulässig, kann dahinstehen). Jedenfalls ist hier eine Vereinbarung der Parteien erfolgt. In § 17 des Mietvertrags sind jedoch betreffend die kalten Betriebskosten beide Rahmen, in denen für die Abrechnung Ergänzungen vorgesehen waren, ausdrücklich gestrichen worden. Aus dem Streichen ist danach der Wille zu erkennen, insoweit keine Absprache treffen zu wollen. Wenn man dann berücksichtigt, dass die Parteien in § 7.1 des Mietvertrags durch Ankreuzen klargestellt haben, dass es sich bei der angegebenen Miete um eine Bruttokaltmiete handelt, kann man allein aus der verbindenden Klammer vor dem Vorschuss nicht auf den Willen schließen, auch für die kalten Betriebskosten abzurechnende Vorschüsse vereinbart zu haben.
Aus den weiteren formularmäßigen Bestimmungen in § 17 des Mietvertrags ergibt sich ebenfalls keine Vereinbarung über eine Abrechnung. Diese setzen vielmehr schon vom Aufbau der Klausel eine solche Vereinbarung voraus und gehen ins Leere, wenn eine solche Reglung nicht vorliegt.
Das Amtsgericht ist hierbei zutreffend vom Vorliegen von allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgegangen. Es kann hierbei dahinstehen, ob der Beklagte beim Abschluss des Mietvertrags als „Privatperson“ gehandelt hat. Denn er hat ein bereits vom äußeren Eindruck erkennbares Formular verwendet. Dass dieses Formular vom Beklagten stammt, hat die Klägerin erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 19. April 2016 ausdrücklich vorgetragen. Dies ist von Seiten des Beklagten nicht in Abrede gestellt worden. Auch in der Berufungsbegründung trägt er konkret nichts Gegenteiliges vor. Er bemängelt allein, dass die Klägerin in I. Instanz hierzu nichts vorgetragen habe. Das ist jedoch nicht der Fall.
Nach allem ist es danach zutreffend, dass der Beklagte eine Absprache der Parteien, wonach die Klägerin für die kalten Betriebskosten Vorschüsse zu zahlen und der Beklagte hierüber abzurechnen habe, nicht dargetan hat. Der vereinbarte Vorschuss betrifft danach allein die Heizkosten.
Entgegen der Auffassung des Beklagten war eine Beweisaufnahme durch das Amtsgericht und ist eine solche durch das Berufungsgericht nicht veranlasst. Denn wenn, wie oben dargelegt, der Beklagte eine Vereinbarung der Parteien über die Betriebskosten nicht dargelegt hat, kommt auch eine Beweisaufnahme nicht in Betracht. Denn der Beklagte trägt keine streitigen tatsächlichen Umstände vor, über die Beweis zu erheben wäre, sodass eine Beweisaufnahme über seine Gedanken und Motive auf eine unzulässige Ausforschung hinausliefe. Im Übrigen kam auch eine Parteivernehmung des Beklagten über seine Behauptungen nicht in Betracht. Denn diese setzte gemäß § 447 ZPO eine entsprechende Zustimmung der Klägerin voraus. Diese liegt nicht vor.
Die Berufung des Beklagten hat hingegen insoweit Erfolg, als die Ansprüche der Klägerin teilweise verjährt sind.
Das Amtsgericht ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist erst nach Erteilung der im Rechtsstreit vorgelegten Abrechnungen, d.h. hier frühestens aufgrund der Abrechnung vom 17. Oktober 2012 erst ab 1. Januar 2013 läuft.
Die Verjährung beginnt grundsätzlich ab Entstehen der Forderung, wenn diese fällig ist und zum Gegenstand einer Klage gemacht werden kann.
Der Anspruch des Mieters auf Erstattung etwaiger Überzahlungen wird regelmäßig mit der Erteilung der Abrechnung fällig. Für den Erstattungsanspruch des Mieters gilt dies jedoch nicht, wenn der Vermieter nicht innerhalb angemessener Frist über die Betriebskosten abrechnet. Andernfalls bliebe die Abrechnungsfrist ohne praktische Bedeutung, und der Vermieter hätte es in der Hand, die Fälligkeit eines Rückzahlungsanspruchs des Mieters nach Belieben hinauszuzögern. Dieser Folge kann nur dadurch wirksam begegnet werden, dass der Mieter die Rückzahlung von Nebenkostenvorauszahlungen verlangen kann, wenn der Vermieter nicht fristgerecht abgerechnet hat; dieses Ergebnis ist dem Mietvertrag im Wege der ergänzenden Auslegung zu entnehmen (§§ 133, 157 BGB). Der Rückforderungsanspruch des Mieters wird deshalb in einem solchen Fall nicht erst mit der Mitteilung der Abrechnung des Vermieters, sondern bereits dann fällig, wenn die Abrechnungsfrist erfolglos abgelaufen ist (BGH, Urteil vom 9. März 2005 – VIII ZR 57/04, GE 2005, 543).
Das führt im vorliegenden Fall dazu, dass jedenfalls die Rückforderung der für 2007 bis 2009 geleisteten Vorschüsse verjährt ist. Denn für 2009 war bis zum 31. Dezember 2010 abzurechnen gewesen, sodass hinsichtlich des ab dem 1. Januar 2011 fälligen Anspruchs auf Rückzahlung der geleisteten Vorschüsse am 31. Dezember 2014 die Verjährung eingetreten ist. Die Klage ist hingegen erst am 31. Dezember 2015 bei Gericht eingegangen. Die Rückzahlungsansprüche für die früheren Abrechnungszeiträume bis 2008 sind danach ebenfalls verjährt.
Die Ansprüche auf Rückzahlung der Vorschüsse für 2010 bis 2014 sind hingegen nicht verjährt. Die Abrechnung für 2010 musste der Klägerin gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 192, 193 BGB bis zum Montag, den 2. Januar 2012 zugehen, sodass der Rückzahlungsanspruch mangels Abrechnung ab dem 3. Januar 2012 fällig war. Dessen Verjährungsfrist begann gemäß § 199 BGB am 1. Januar 2013 und endete gemäß § 195 BGB am 31. Dezember 2015. Die am 31. Dezember 2015 bei Gericht eingegangene Klage hat den Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 204 BGB in Verbindung mit § 167 ZPO rechtzeitig gehemmt. Die Rückzahlungsansprüche für die weiteren Abrechnungszeiträume ab 2011 sind danach ebenfalls nicht verjährt.
Danach kann die Klägerin im vorliegenden Fall nur die für 2010 (1.586,72 EUR), 2011 (926,69 EUR), 2012 (668,16 EUR) und 2014 (1.522,54 EUR) gezahlten Vorschüsse in Höhe von insgesamt 4.704,11 EUR zurückverlangen. In dieser Höhe sind die Vorschüsse nicht durch Heizkosten verbraucht.
Gegen die Höhe der Klageforderung werden vom Beklagten ansonsten keine Einwände vorgebracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.