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Heizkostenabrechnung bei ungedämmten und freiliegenden Heizungsleitungen

LG Ellwangen, Az.: 1 S 159/13, Urteil vom 10.06.2016

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 28.10.2013 abgeändert wie folgt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 563,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 309,16 Euro seit 30.06.2011 und aus weiteren 254,70 Euro seit 27.09.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.09.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 17 Prozent und der Beklagte 83 Prozent. Von den Kosten der Nebenintervention tragen die Streithelferin 17 Prozent und der Beklagte 83 Prozent.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 679,82 Euro festgesetzt.

Gründe

(§§ 540, 313 a ZPO)

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Das Amtsgericht hat dem Kläger zu Unrecht einen Anspruch auf Nachzahlung von Mietnebenkosten für die Jahre 2010 und 2011, als das Mietverhältnis zwischen den Parteien noch bestand, abgesprochen. Der Kläger hat einen Nachzahlungsanspruch in Höhe von 309,16 Euro für das Jahr 2010 und in Höhe von 254,70 Euro für das Jahr 2011.

Heizkostenabrechnung bei ungedämmten und freiliegenden Heizungsleitungen
Symbolfoto: Pro2 / Bigstock

Zwischen den Parteien streitig sind lediglich die auf den Beklagten entfallenden Anteile der Positionen Heizung/Wasser der Nebenkostenabrechnung für 2010 (Anlage K 2 zur Anspruchsbegründung, Bl. 22 d. A.) und für 2011 (Anlage K 4 zur Anspruchsbegründung, Bl. 24 d. A.). Der Berechnung dieser Anteile liegen die Gesamtabrechnungen der Firma … für Heizung, Warmwasser und Kaltwasser für das Gesamtobjekt für 2010 (Anlage B 1 zur Klagerwiderung in Bl. 35 d. A., Anlagen Bl. 128 und 148 d. A.) und 2011 (Anlage Bl. 128 und 148 d. A.) sowie die Einzelabrechnungen der Firma … für die vom Beklagten bewohnte Wohnung für 2010 (Anlage B 1 zur Klagerwiderung in Bl. 35 d. A., Anlage K 8a, Bl. 148 d. A.) und 2011 (Anlage K 5 zur Anspruchsbegründung, Bl. 26 d. A., Anlage K 8b, Bl. 148 d. A.) zugrunde.

Die streitgegenständlichen Nebenkostenabrechnungen des Klägers sind entgegen der Auffassung des Amtsgerichts wirksam und führen zur Fälligkeit der berechtigten Forderungen des Klägers, weil sie formell ordnungsgemäß sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. zuletzt NJW-RR 2015, 778), der sich die Berufungskammer anschließt, ist eine Betriebs- bzw. Nebenkostenabrechnung dann ordnungsgemäß, wenn sie den allgemeinen Anforderungen des § 259 BGB entspricht, also eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthält. Die Angaben in der Betriebskostenabrechnung müssen es dem Mieter ermöglichen, die zur Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen. Bei einer Abrechnung der Heizkosten nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung, also nach Rohrwärmeeinheiten, berührt es die formelle Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nicht, dass der Vermieter zwar auf die VDI-Richtlinie 2077, die mathematisch-technische Methoden zur Heizkostenermittlung und -verteilung beschreibt, hingewiesen hat, jedoch deren technische Anwendungsvoraussetzungen nicht (vollständig) mitgeteilt hat. Der formellen Ordnungsgemäßheit steht nicht entgegen, wenn der Vermieter den Anteil der Niedrigverbraucher sowie die Standardabweichung nicht wiedergibt. Der Vermieter muss auch nicht darlegen und erläutern, auf welche Weise er die als Verbrauchswerte der Wohnung anzusetzenden Werte im Einzelnen ermittelt hat. Es bedarf insoweit keiner weiteren Angaben, anhand derer der Mieter die materielle Richtigkeit der für seine Wohnung angesetzten Werte im Einzelnen nachvollziehen kann, denn damit würde die Abrechnung überfrachtet (BGH a.a.O.). Die genannten Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2010 und 2011 erfüllen dieses Voraussetzungen für die Ordnungsgemäßheit der Abrechnungen, insbesondere die Abrechnungen für Heizung, Warmwasser und Kaltwasser 2010 und 2011 für die vom Beklagten genutzte Wohnung. So ist in den zuletzt genannten Abrechnungen jeweils ausdrücklich ausgeführt, dass in den Gesamteinheiten Rohrwärmeeinheiten enthalten seien, die gemäß § 7 Abs. 1 Heizkostenverordnung und dem Bilanzverfahren der VDI nach der dort genannten Formel ermittelt worden seien. Dort werden auch weitere Grundlagen der Abrechnungen genannt und der Beklagte als Mieter wird bei Fragen zur Abrechnung an den Vermieter oder Verwalter verwiesen.

Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der vom Kläger gewählten Heizkostenabrechnung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung unter Berücksichtigung von Rohrwärmeeinheiten liegen vor. Bei der Heizung in der streitgegenständlichen Wohnanlage … in … handelt es sich nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen …, denen die Kammer nach eigener kritischer Prüfung in vollem Umfang folgt, um eine Einrohrheizung, deren Ringleitungen – im Unterschied zur gesetzlichen Formulierung in § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung – nicht freiliegend sind, sondern im Estrich bzw. im Putz der Wände verlegt sind. Die Rohrstummel hin zu den Vor- und Rücklaufanschlüssen der Heizkörper, die aus dem Estrich bzw. aus dem Putz der Wand herausführen, sind nicht gedämmt. Die Frage, ob die Rohrleitungen im Estrich und Putz ebenfalls ungedämmt sind oder gedämmt und gegebenenfalls mit welchem Dämmmaterial, kann nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen dahingestellt bleiben. Zum einen wären die geringen Werte des Verbrauchswärmeanteils nach den Erfahrungen des Sachverständigen nicht möglich, wenn die Rohrleitungen im Estrich gemäß den Vorschriften der Energieeinsparverordnung gedämmt wären. Zum anderen lasse sich die Anlage mit den in der Heizkostenverordnung und in der VDI-Richtlinie vorgesehenen Kennwerten bewerten und damit eindeutig festlegen, dass die Richtlinie 2077, Beiblatt „Rohrwärme“, auf das streitgegenständliche Wohnobjekt anwendbar ist. Hinsichtlich der weiteren Angaben des Sachverständigen wird auf sein schriftliches Sachverständigengutachten vom 18.12.2015 (Bl. 201 d. A.), sein erstes Ergänzungsgutachten (Bl. 229 – 233 d. A.) sowie seine protokollierten Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung (vgl. Protokoll Bl. 234 – 237 d. A.) verwiesen.

Im Anschluss an die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen und in Übereinstimmung mit den von der Streitverkündeten vorgelegten Entscheidungen des Amtsgerichts Emmendingen (vom 10.04.2012, Az. 3 C 115/10, Anlage Bl. 138 d. A.), des Amtsgerichts Bayreuth (vom 19.08.2014, Az. 102 C 1359/13, Anlage in Bl. 176 d. A.) und des Landgerichts Landau in der Pfalz (vom 18.10.2013, Az. 3 S 110/12, Anlage Bl. 192 d. A.) folgt auch die Kammer der von diesen Gerichten vertretenen Rechtsauffassung, dass eine Heizkostenabrechnung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung nicht nur für freiliegende Leitungen der Wärmeverteilung, sondern auch auf im Estrich verlegten Einrohrheizungen analog anwendbar ist, also auch im hier vorliegenden Fall. Auf die Gründe der Entscheidungen der genannten Gerichte wird verwiesen.,

Wie auch der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, sind die Nebenkostenabrechnungen für die Wohnung des Beklagten hinsichtlich der VDI-Richtlinie 2077, Beiblatt „Rohrwärme“, formal und rechnerisch richtig mit Ausnahme des Umstands, dass die Streitverkündete als Abrechnungsfirma mit einer Basis-Empfindlichkeit von 1,00 (bewerteten) Verbrauchseinheiten pro Kilowattstunde (VE/kWh) rechnet, die für eine Übertemperatur von 60 Grad K gilt. Demgegenüber ist nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nach VDI 2077 mit der Basis-Empfindlichkeit für eine Übertemperatur von 35 Grad K zu rechnen, dieser Wert beträgt für den hier eingesetzten elektronischen Heizkostenverteiler Minometer M 6 nur 0,97 VE/kWh.

Hiervon ausgehend ergibt sich entsprechend der Neuberechnung der Streitverkündeten vom 14.01.2016 (Anlage StV 1, Bl. 211 d. A.) ein gegenüber der ursprünglichen Abrechnung für das Jahr 2010 vom 25.02.2011 um 2,64 Euro verminderter offener Restbetrag. Für 2010 hat der Beklagte daher nicht 311,80 Euro nachzuzahlen, sondern nur 309,16 Euro.

Für das Jahr 2011 forderte der Kläger vom Beklagten einen Nachzahlungsbetrag von 368,02 Euro, wobei er in der Nebenkostenabrechnung vom 03.03.2012 (Anlage K 4 Bl. 25 d. A.) von dem sich aus der Einzelabrechnung vom 01.03.2011 für die vom Beklagten bewohnte Wohnung (Anlage K 5 Bl. 26 d. A.) ergebenden Betrag für Heizung/Wasser von 1.034,70 Euro ausging. Im Jahr 2011 schuldet der Beklagte dem Kläger Nebenkosten für elf Monate. Denn der Kläger war nur bis zum 30.11.2011 Vermieter. Für die Bestimmung des tatsächlich geschuldeten Nachzahlungsbetrags ist die Neuberechnung von Heizung/Wasser durch die Streitverkündete vom 04.05.2016 für die vom Beklagten bewohnte Wohnung in der Zeit vom 01.01.2011 bis 30.11.2011 (Anlage StV 2 Bl. 252 d. A.) maßgeblich. Sie berücksichtigt auch die vom Sachverständigen für zutreffend erachtete Basis-Empfindlichkeit für die Übertemperatur. Diese Berechnung gelangt zu Gesamtkosten von 901,35 Euro. In diesem Betrag sind Kosten von 34,51 Euro für eine Zwischenablesung und 15,47 Euro für einen Nutzerwechsel enthalten. Der Hinweis der Kammer auf Zweifel an der Berechtigung einer Abwälzung dieser Positionen auf den Mieter veranlasste den Kläger zu keinem weiteren Vortrag. Deshalb sind diese beiden Positionen vom Betrag von 901,35 Euro abzuziehen, sodass für 2011 auf den Beklagten noch Gesamtkosten Heizung/Wasser von 851,37 Euro entfallen. Bei Einsatz dieses Betrags statt des Betrags von 1.034,70 Euro in die Abrechnung des Klägers vom 03.03.3012 ergibt sich statt des Betrags von 1.208,02 Euro ein auf den Beklagten entfallender Betrag von 1.024,70 Euro. Von diesem sind die elf Nebenkostenvorauszahlungen des Beklagten an den Kläger im Jahr 2011 zu je 70,00 Euro abzuziehen, sodass für 2011 noch ein vom Beklagten zu zahlender Nachzahlungsbetrag von 254,70 Euro verbleibt.

Der Umstand, dass der Beklagte seine Wohnung mit einer strombetriebenen Infrarotheizung beheizt und auch bereits in den hier streitgegenständlichen Abrechnungszeiträumen so beheizte, führt nicht zu einem Entfallen der zulässig gemäß den genannten Abrechnungen nach § 7 Heizkostenverordnung unter Mitberücksichtigung der Rohrwärmeeinheiten auf ihn mitverteilten und auf ihn entfallenden Kosten für Heizung, Wasser und Kaltwasser.

Auch die weiteren Ausführungen der Parteien führen zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung in der Hauptsache. Die Berufung hat deshalb in der Hauptsache überwiegend Erfolg. Zur Zahlung der geltend gemachten Nebenforderungen, Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß dem RVG in der bis 2013 geltenden Fassung, die der Kläger nicht aus einem Gegenstandswert in Höhe der Klagforderung in Höhe von über 600,00 Euro, sondern lediglich aus dem Streitwert der Nebenkostenabrechnung für 2010 zwischen 300,00 und 600,00 Euro geltend macht, ist der Beklagte infolge Verzugs verpflichtet. Die beiden Nebenkostenabrechnungen des Klägers waren zwar inhaltlich nicht ganz richtig, aber es handelte sich um formell ordnungsgemäße Nebenkostenabrechnungen, die auch in der jetzt zugesprochenen Höhe begründet waren. Bei den Zinsen aus den zugesprochenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten handelt es sich um Rechtshängigkeitszinsen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 ZPO nicht vorliegen.

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