LG Hamburg, Az.: 316 S 57/13
Urteil vom 26.11.2013
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 06.06.2013, Az. 44 C 257/12, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Zunächst wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. ZPO Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen die erstinstanzlich vertretene Auffassung, auch ein zwei- bis dreijähriger Auslandsaufenthalt des Mieters begründe dessen berechtigtes Interesse an einer teilweisen Gebrauchsüberlassung seiner Mietwohnung und der Vermieter wäre auch dann zum Schadensersatz in Form eines Mietausfalls verpflichtet, wenn die Beurteilung, ob eine Untervermietungserlaubnis zu erteilen war, schwierige Fragen aufwerfe.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichtes Hamburg – 44 C 257/12 – die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird Bezug genommen auf die in der Berufung gewechselten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das erstinstanzliche Gericht die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Form des Mietausfalls für den Zeitraum 15.11.2010 bis 30.10.2011 verurteilt. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung der Beklagten sind nicht in der Lage, eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zu bewirken.
1.
Die Beklagte hat eine Pflichtverletzung dadurch begangen, dass sie den Klägern nicht die Erlaubnis zur Untervermietung an die Zeugen H. und S. erteilt hat.
Die Kläger hatten ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung. „Als berechtigt ist jedes, auch höchstpersönliche Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht“ (BGH, Urt. v. 23.11.2005, Az.: VIII ZR 4/05, Rz 8, zitiert nach juris). Ein solches ist auch dann gegeben, wenn der Mieter durch die Untervermietung seine Wohnkosten reduzieren will (s. BGH a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Im anwaltlichen Schreiben vom 3.11.2010 (Anlage K3, Bl. 12 d.A.) hat die Klägervertreterin ausgeführt, dass die Kläger nicht die Kosten der Unterkunft in O. und in Hamburg zugleich tragen könnten. Auch solle der Wohnraum erhalten bleiben, weil eine Wohnung von Kanada aus zu suchen nicht mit zumutbarem Aufwand möglich sei. Dies hat die Beklagte auch nicht bestritten.
Dem berechtigten Interesse der Kläger an der Untervermietung von zwei Zimmern der Dreizimmer-Mietwohnung steht nicht entgegen, dass die Kläger sich für die Dauer der Untervermietung ganz überwiegend in Kanada aufhielten. Der Bundesgerichtshof hat insoweit entschieden, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Untervermietungserlaubnis auch dann bestehe, wenn der Mieter nicht seinen Lebensmittelpunkt in der Wohnung habe und dies mit der „Mobilität und Flexibilität in der heutigen Gesellschaft“ begründet, die es erfordern könne, an einer anderenorts gelegenen Arbeitsstelle eine weitere Wohnung zu begründen (s. BGH, a.a.O., Rz 10, 13). Nach Auffassung der Kammer ist ein Anspruch des Mieters auf Erteilung der Untervermietungserlaubnis nicht nur dann zu bejahen, wenn der Mieter sich – wie in dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall – überwiegend in einer anderen Stadt in Deutschland aufhält, sondern auch dann, wenn sich der Mieter auf einem zeitlich begrenzten mehrjährigen Aufenthalt im Ausland befindet. Der Bundesgerichtshof hat in der o.g. Entscheidung auf die Mobilität und Flexibilität der heutigen Gesellschaft Bezug genommen und auch ausgeführt, dass der Mieter grundsätzlich frei sei, sein Privatleben innerhalb der eigenen vier Wände nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Mittlerweile wird für eine berufliche Tätigkeit in Deutschland zunehmend Auslandserfahrung benötigt. Längere Auslandsaufenthalte sind in vielen Bereichen Voraussetzung für ein berufliches Fortkommen in Deutschland bzw. am eigenen Wohnort. Damit muss der Mieter zeitweise seinen Wohnort verlassen, um weitere Qualifikationen zu erwerben. So lag der Fall auch hier. Der Auslandsaufenthalt der Kläger war von vorneherein zeitlich auf zwei Jahre begrenzt, auch wenn sie ihn nochmals um ein knappes Jahr verlängert haben. Es kommt den Klägern gerade darauf an, in die Wohnung nach Hamburg zurückzukehren. Nicht ersichtlich ist, dass sie ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft nach Kanada verlegt haben. Der Kläger zu 1) hat auch nur eine Arbeitserlaubnis bis November 2013. Die Bejahung eines Anspruchs des Mieters auf Erteilung einer Erlaubnis zur Untervermietung während seines zwei- bis dreijährigen Auslandsaufenthaltes schränkt auch nicht die Rechte des Vermieters ein, dem dieselben Rechte zustehen unabhängig davon, ob der Mieter während seiner Abwesenheit eine Untervermietung vornimmt oder nicht. Im Übrigen ist aufgrund der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten auch eine leichtere Erreichbarkeit des Mieters im Ausland gewährleistet.
Auch in dem hier zu entscheidenden Einzelfall ist kein Interesse der Beklagten ersichtlich, das einer Untervermietung entgegenstehen könnte. Sie kann sich insbesondere nicht darauf berufen, die Kläger seien für sie nicht erreichbar gewesen, weil der Mieterverein der Hausverwaltung in einer anderen Mietangelegenheit mit Schreiben vom 29.12.2010 (Anlage B1) mitgeteilt habe, dass die Kläger sich in Kanada aufhielten, so dass eine Klagzustellung nicht oder nur unter erheblichen Erschwernissen möglich sei. Eine Erreichbarkeit der Kläger war über die Klägervertreterin gegeben, die bereits mit Schreiben vom 03.11.2010 an die Hausverwaltung herangetreten war. Zudem hätte die Beklagte ohne weiteres die Kläger um Angabe ihrer Adresse in Kanada oder eines weiteren Bevollmächtigten in Deutschland bitten können.
Soweit die Beklagte anführt, ihre Vermieterinteressen stünden einer Untervermietung entgegen, da die Wohnung nun nicht nur von einer Person, sondern von zwei Personen genutzt werde, hat dies für den hier entscheidungserheblichen Zeitraum vom 15.11.2010 bis 30.10.2011 keine Relevanz.
2. Die Pflichtverletzung der Beklagten in Gestalt der Verweigerung der Untervermietungserlaubnis erfolgte auch schuldhaft. Das Vertretenmüssen der Beklagten wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, dass der Sachverhalt rechtlich und tatsächlich schwierig und undurchsichtig gewesen sei.
Grundsätzlich führt ein Rechtsirrtum nur dann zu einer Haftung, wenn der Schuldner fahrlässig gehandelt hat. Er muss mit einer abweichenden Beurteilung durch das zuständige Gericht ernsthaft rechnen und handelt dann auf eigenes Risiko und damit schuldhaft, selbst dann, wenn er seine eigene Rechtsansicht sorgfältig gebildet hat. Ist die Rechtslage in besonderem Maße unklar und dem Schuldner eine sofortige Leistung nicht zuzumuten, verneint die Rechtsprechung indes ein Verschulden (s. Grüneberg in: Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, § 276 Rz 22f. mwN). Auch die Kammer geht von einer unklaren Rechtslage aus. Ob auch bei einer mehrjährigen Abwesenheit des Mieters aufgrund eines Auslandsaufenthaltes eine Pflicht des Vermieters zur Erteilung einer Untervermietungserlaubnis zu bejahen ist, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (s. hierzu: Blank in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 553 Rz 8 – 10). Eine Klärung durch den Bundesgerichtshof ist bisher nicht erfolgt. Diese Unsicherheit liegt jedoch im Risikobereich der Beklagten. Ihr war zuzumuten, eine Untervermietungserlaubnis zu erteilen, da ihr dadurch kein Schaden drohte.
Auch steht dem Schadensersatzanspruch nicht entgegen, dass die Beklagte im Vorprozess vor dem Amtsgericht Hamburg zum Aktenzeichen 48 C 551/10 von ihrem prozessualen Recht Gebrauch gemacht hat, den Vortrag der Kläger zu bestreiten. Konkrete Anhaltspunkte, dass die Kläger nicht nur zeitlich befristet, sondern dauerhaft nach Kanada übersiedeln wollten, hat die Beklagte nicht genannt. Sie hat sich darauf berufen, dass in dem vorgelegten Anstellungsvertrag des Klägers zu 1) ein Zeitraum vom 1.1.2011 – 30.06.2013 genannt sei. Allerdings würde auch in diesem Fall ein zeitlich befristeter und von der Dauer überschaubarer Auslandsaufenthalt vorliegen, der einen Anspruch auf Erteilung einer Untervermietungserlaubnis begründet. Weiter hat die Beklagte bestritten, dass die Kläger tatsächlich nur zwei Zimmer und nicht alle drei Zimmer untervermieten wollten. Der Beklagten wäre es diesbezüglich aber zumutbar gewesen, die Untervermietungserlaubnis zu erteilen und bei konkreten Hinweisen auf Nutzung der Wohnung über die erteilte Erlaubnis hinaus rechtliche Schritte einzuleiten.
Auf Antrag der Beklagten hat die Kammer die Revision zur Rechtsfortbildung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Fragen, ob eine Untervermietungserlaubnis auch zu erteilen ist, wenn sich die Mieter auf einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt befinden, und ob sich der Vermieter schadensersatzpflichtig macht, wenn er in Anbetracht einer von den Gerichten unterschiedlich beurteilten Rechtslage die Untervermietungserlaubnis verweigert, vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden wurden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.