Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Umlaufbeschlüsse in der Wohnungseigentümergemeinschaft: Grenzen und Möglichkeiten
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was sind die rechtlichen Grenzen eines Umlaufbeschlusses in der WEG?
- Welche Folgen hat ein ungültiger Umlaufbeschluss für die Eigentümergemeinschaft?
- Wann ist ein Ermächtigungsbeschluss für Umlaufbeschlüsse erforderlich?
- Wie kann die WEG Beschlüsse rechtssicher im Umlaufverfahren fassen?
- In welchen Fällen ist Allstimmigkeit bei Umlaufbeschlüssen zwingend erforderlich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht München I
- Datum: 08.11.2023
- Aktenzeichen: 1 S 11052/22 WEG
- Verfahrensart: Berufungsverfahren im Wohnungseigentumsrecht
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Inhaberin von Miteigentumsanteilen und Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie argumentierte, dass der Umlaufbeschluss rechtswidrig sei, weil die Beschlusskompetenz fehle und unrechtmäßig in das Sondereigentum eingegriffen werde. Des Weiteren bemängelte sie die Finanzierung und den Kostenverteilungsschlüssel der Sanierungsmaßnahme.
- Beklagte: Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie argumentierte, dass die beschlossenen Maßnahmen das Gemeinschaftseigentum beträfen und die Beschlussfassung daher ordnungsgemäß erfolgte. Zudem sei die technische Notwendigkeit der Maßnahmen gegeben und sie würden die ordnungsmäßige Verwaltung nicht überschreiten.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss die Sanierung der Balkone an der Ost- und Nordseite eines Gebäudes durch eine bestimmte Firma. Die Klägerin focht diesen Umlaufbeschluss an, da sie ihn für ungültig hielt.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob der Umlaufbeschluss ordnungsgemäß getroffen wurde, insbesondere ob er die erforderliche Zustimmung aller Wohnungseigentümer hatte, und ob die Maßnahmen das Gemeinschaftseigentum betreffen oder unzulässig in das Sondereigentum eingreifen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Umlaufbeschluss vom 26.10.2021 wurde für ungültig erklärt. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Begründung: Der Beschluss umfasste Maßnahmen, die nicht Gegenstand des ursprünglichen Absenkungsbeschlusses waren und die somit nicht in einem Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit hätten beschlossen werden dürfen. Weil die Zustimmung aller Wohnungseigentümer fehlte, wurde der Beschluss für ungültig erklärt. Die Reihenfolge der Arbeiten hätte in einem einstimmigen Verfahren festgelegt werden müssen.
- Folgen: Die Klägerin hat sich durchgesetzt, und der Beschluss wurde aufgehoben. Der Fall verdeutlicht die strengen Anforderungen an Umlaufbeschlüsse und die Notwendigkeit von Zustimmung der Wohnungseigentümer bei bestimmten Maßnahmen. Es wurden keine weiteren Rechtsmittel zugelassen, das Urteil ist somit endgültig.
Umlaufbeschlüsse in der Wohnungseigentümergemeinschaft: Grenzen und Möglichkeiten
In der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer spielen Entscheidungsprozesse eine zentrale Rolle für das harmonische Zusammenleben. Das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) regelt dabei die Modalitäten der Beschlussfassung, wobei der Umlaufbeschluss als alternative Abstimmungsform zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Die Rechtslage sieht vor, dass Wohnungseigentümer nicht nur in Präsenzversammlungen, sondern auch im schriftlichen Umlaufverfahren Mehrheitsentscheidungen treffen können. Dabei unterliegt diese Form der Beschlussfassung jedoch spezifischen rechtlichen Einschränkungen, die eine sorgfältige Prüfung der Beschlusskompetenz und Stimmenmehrheit erforderlich machen.
Eine aktuelle Gerichtsentscheidung wirft nun ein interessantes Licht auf die Grenzen und Möglichkeiten von Umlaufbeschlüssen in der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Der Fall vor Gericht
Umlaufbeschluss zur Balkonsanierung wegen überschrittener Beschlusskompetenz ungültig
Das Landgericht München I hat einen Umlaufbeschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Sanierung von 13 Balkonen für ungültig erklärt. Der mit Kosten von 60.690 Euro veranschlagte Beschluss ging über die zulässigen Grenzen eines vorangegangenen Ermächtigungsbeschlusses hinaus.
Umstrittene Sanierungsmaßnahmen an Balkonen
Die Wohnungseigentümer hatten in einer Eigentümerversammlung am 26. August 2021 zunächst beschlossen, dass über bestimmte Balkonsanierungsarbeiten im Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit entschieden werden darf. Dieser sogenannte Absenkungsbeschluss umfasste das Entfernen von Fliesen und Fliesenkleber, Putzarbeiten, die Erneuerung des Estrichs sowie die Abdichtung und Beschichtung der Balkone.
Überschreitung der Beschlusskompetenz
Der daraufhin im Oktober 2021 gefasste Umlaufbeschluss ging jedoch deutlich über diese Maßnahmen hinaus. Er beinhaltete zusätzlich das Streichen der Balkonplatten sowie die Reinigung von Kunststoffhalterungen, Handläufen und Fenstern – und zwar nicht nur an der Nord- und Ostseite, sondern auch an der Westseite des Gebäudes. Diese zusätzlichen Arbeiten waren ursprünglich Teil eines separaten Nachtragsangebots über 20.111 Euro.
Rechtliche Bewertung durch das Landgericht
Das Landgericht München I stellte in seinem Urteil vom 8. November 2023 klar, dass für Beschlüsse außerhalb der im Absenkungsbeschluss festgelegten Maßnahmen die Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich gewesen wäre. Da diese Allstimmigkeit nicht vorlag, erklärte das Gericht den gesamten Umlaufbeschluss für ungültig. Eine teilweise Aufrechterhaltung des Beschlusses kam nicht in Frage, da es sich um ein Pauschalangebot handelte, das nur insgesamt angenommen werden konnte.
Grundsätzliche Bedeutung des Urteils
Das Gericht betont die restriktive Handhabung von Umlaufbeschlüssen mit einfacher Mehrheit. Die Möglichkeit zur Einflussnahme auf Entscheidungen in der Eigentümerversammlung sei ein elementarer Bestandteil der mitgliedschaftlichen Rechte. Daher dürfe die Ausnahme vom Allstimmigkeitserfordernis bei Umlaufbeschlüssen nur punktuell und für konkret vorgegebene Beschlussgegenstände gelten.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stellt klar, dass Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) nicht über Maßnahmen beschließen können, die in das Sondereigentum der einzelnen Eigentümer eingreifen. Im konkreten Fall wurde ein Beschluss zur Balkonsanierung für ungültig erklärt, weil er Arbeiten am Bodenbelag umfasste, der zum Sondereigentum gehörte. Die Gemeinschaftsordnung hatte zudem klar geregelt, dass die WEG nur für die tragende Konstruktion und Abdichtung der Balkone zuständig ist, nicht aber für deren Oberbeläge.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Wohnungseigentümer müssen Sie bei Sanierungsbeschlüssen genau prüfen, ob die geplanten Maßnahmen tatsächlich in die Zuständigkeit der WEG fallen. Beschlüsse, die Eingriffe in Ihr Sondereigentum vorsehen – wie etwa die Erneuerung von Balkonbodenbelägen – können Sie erfolgreich anfechten. Besonders wichtig ist dabei die Beachtung Ihrer Gemeinschaftsordnung, die die Zuständigkeiten zwischen WEG und Eigentümern regelt. Bei Sanierungsmaßnahmen sollten Sie darauf achten, dass diese sich auf gemeinschaftliches Eigentum beschränken und Ihre Rechte als Sondereigentümer nicht verletzen.
Benötigen Sie Hilfe?
Ihre Rechte als Wohnungseigentümer schützen
Dieses Urteil zeigt, wie wichtig es ist, die Grenzen der Beschlusskompetenz einer Eigentümergemeinschaft zu kennen. Gerade bei Sanierungen kann es schnell zu Konflikten kommen, wenn Beschlüsse in das Sondereigentum eingreifen. Die genaue Prüfung der Gemeinschaftsordnung und der geplanten Maßnahmen ist daher unerlässlich.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte als Wohnungseigentümer zu wahren. Ob es um die Anfechtung von Beschlüssen oder die Klärung von Zuständigkeiten geht – wir stehen Ihnen mit unserer Expertise zur Seite.
Sprechen Sie uns an, um die Details Ihres individuellen Falls zu besprechen und gemeinsam die optimale Strategie zu entwickeln.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was sind die rechtlichen Grenzen eines Umlaufbeschlusses in der WEG?
Grundsätzliche Voraussetzungen
Ein Umlaufbeschluss in der Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert nach § 23 Abs. 3 WEG grundsätzlich die Allstimmigkeit aller Wohnungseigentümer. Wenn Sie einen Umlaufbeschluss planen, müssen zunächst die rechtlichen Grundlagen in der Gemeinschaftsordnung überprüft werden.
Initiierungsberechtigte Personen
Das Umlaufverfahren kann nur von bestimmten Personen eingeleitet werden:
- Der Verwalter
- Der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats oder dessen Vertreter
- Hierzu ermächtigte Eigentümer
Formvorschriften und Durchführung
Seit der WEG-Reform 2020 gilt für Umlaufbeschlüsse nur noch das Textformerfordernis. Sie können den Beschluss per E-Mail, Brief oder sogar per Messenger-Dienst kommunizieren. Die Abstimmungsfrist muss mindestens drei Wochen betragen.
Beschränkungen der Mehrheitsentscheidung
Eine Besonderheit besteht bei der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen: Die Wohnungseigentümer können für einzelne konkrete Beschlussgegenstände vereinbaren, dass eine einfache Mehrheit ausreicht. Ein solcher Absenkungsbeschluss gilt jedoch nur für den spezifischen Beschlussgegenstand. Ein dauerhaftes oder generelles Absenken des Allstimmigkeitserfordernisses ist nicht zulässig.
Beschlusskompetenz und Grenzen
Der Umlaufbeschluss ist nur in Angelegenheiten der ordnungsgemäßen Verwaltung, bei Gebrauchsregelungen über Gemeinschaftsflächen oder beim Aufstellen einer Hausordnung möglich. Beschlüsse zur Veränderung der Zweckbestimmung des Gemeinschaftseigentums sind im Umlaufverfahren nicht möglich.
Widerruf und Anfechtung
Eine im Umlaufverfahren abgegebene Stimme kann nicht widerrufen werden. Nach der Verkündung des Beschlusses haben Sie jedoch die Möglichkeit, diesen innerhalb eines Monats anzufechten.
Welche Folgen hat ein ungültiger Umlaufbeschluss für die Eigentümergemeinschaft?
Ein ungültiger Umlaufbeschluss bleibt zunächst wirksam, bis er erfolgreich angefochten wird. Die rechtlichen Konsequenzen hängen dabei von der Art der Ungültigkeit ab:
Nichtigkeit versus Anfechtbarkeit
Ein nichtiger Umlaufbeschluss ist von Anfang an rechtsunwirksam und entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung. Dies tritt ein, wenn der Beschluss gegen zwingende gesetzliche Bestimmungen verstößt oder inhaltlich undurchführbar ist.
Ein anfechtbarer Beschluss hingegen bleibt zunächst rechtswirksam, auch wenn er rechtswidrig ist. Wenn Sie als Eigentümer einen solchen Beschluss anfechten möchten, müssen Sie innerhalb eines Monats nach Verkündung eine Anfechtungsklage beim zuständigen Amtsgericht einreichen.
Praktische Auswirkungen
Bei einem ungültigen Umlaufbeschluss ergeben sich folgende Konsequenzen:
Maßnahmen müssen neu beschlossen werden: Die Wohnungseigentümergemeinschaft muss die Angelegenheit erneut behandeln und einen neuen, rechtmäßigen Beschluss fassen.
Bereits durchgeführte Maßnahmen: Wurde ein nichtiger Beschluss bereits umgesetzt, steht den Wohnungseigentümern ein Folgenbeseitigungsanspruch zu.
Bindungswirkung: Wenn die einmonatige Anfechtungsfrist verstrichen ist, wird ein nur anfechtbarer Beschluss bestandskräftig. In diesem Fall müssen Sie die darin festgelegten Regelungen befolgen, selbst wenn diese eigentlich rechtswidrig sind.
Vermeidung von Ungültigkeit
Um einen wirksamen Umlaufbeschluss zu fassen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
Allstimmigkeit ist erforderlich, es sei denn, die Eigentümergemeinschaft hat zuvor ausdrücklich beschlossen, dass für den konkreten Beschlussgegenstand eine einfache Mehrheit ausreicht.
Der Beschlussantrag muss in Textform vorliegen und die Situation sowie das Ziel des Umlaufbeschlusses verständlich darlegen.
Die Stimmabgabe muss ebenfalls in Textform erfolgen, und die Verkündung darf erst nach Ablauf der festgelegten Frist stattfinden.
Wann ist ein Ermächtigungsbeschluss für Umlaufbeschlüsse erforderlich?
Ein Ermächtigungsbeschluss ist immer dann erforderlich, wenn ein Umlaufbeschluss nicht mit Allstimmigkeit, sondern mit einfacher Mehrheit gefasst werden soll.
Grundsätzliche Regelung
Nach § 23 Abs. 3 WEG erfordert ein Umlaufbeschluss grundsätzlich die Zustimmung aller Wohnungseigentümer. Wenn Sie jedoch eine schnellere Entscheidungsfindung ermöglichen möchten, kann die Eigentümerversammlung vorab einen Ermächtigungsbeschluss fassen.
Voraussetzungen des Ermächtigungsbeschlusses
Der Ermächtigungsbeschluss muss folgende Kriterien erfüllen:
- Er muss für einen konkreten einzelnen Beschlussgegenstand gefasst werden
- Die Ermächtigung gilt nur für diesen einen Fall
- Der Beschluss muss in einer Eigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit gefasst werden
Praktische Anwendung
Stellen Sie sich vor, Ihre WEG plant eine Dachsanierung und wartet noch auf ein fehlendes Angebot. In diesem Fall können die Eigentümer in der Versammlung beschließen, dass über die konkrete Auftragsvergabe später im Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit entschieden werden darf. Die Abstimmungsfrist für den späteren Umlaufbeschluss sollte dabei mindestens drei Wochen betragen.
Ein genereller Ermächtigungsbeschluss, der die erforderliche Mehrheit für alle künftigen Umlaufbeschlüsse herabsetzt, ist nicht zulässig. Die Ermächtigung muss sich stets auf eine konkrete Einzelentscheidung beziehen.
Wie kann die WEG Beschlüsse rechtssicher im Umlaufverfahren fassen?
Rechtliche Voraussetzungen
Ein Umlaufbeschluss ermöglicht Entscheidungen ohne Eigentümerversammlung nach § 23 Abs. 3 WEG. Grundsätzlich müssen alle Wohnungseigentümer dem Beschluss zustimmen. Seit der WEG-Reform 2020 genügt die Textform statt der Schriftform, wodurch auch E-Mails oder Messenger-Nachrichten zulässig sind.
Initiierung des Umlaufverfahrens
Das Umlaufverfahren kann von folgenden Personen eingeleitet werden:
- Der WEG-Verwaltung
- Dem Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats oder dessen Vertreter
- Einem hierzu ermächtigten Eigentümer
Korrekte Durchführung
Der Beschlussantrag muss klar formuliert und allen Eigentümern in Textform zugänglich gemacht werden. Dabei ist eine angemessene Frist von mindestens drei Wochen zu setzen.
Für die rechtssichere Beschlussfassung gibt es zwei Möglichkeiten:
- Allstimmigkeit: Alle Eigentümer müssen dem Beschluss zustimmen. Eine Enthaltung oder fehlende Rückmeldung gilt als Ablehnung.
- Mehrheitsentscheidung: Diese ist nur möglich, wenn zuvor in einer Eigentümerversammlung für den konkreten Beschlussgegenstand die Absenkung des Quorums beschlossen wurde. Der Absenkungsbeschluss gilt nur für diesen einen Fall.
Vermeidung von Fehlerquellen
Typische Fehler, die zur Unwirksamkeit führen können:
- Unklare Formulierung des Beschlussantrags
- Fehlende oder zu kurze Abstimmungsfristen
- Mangelnde Dokumentation der Stimmabgaben
- Fehlende Verkündung des Beschlussergebnisses
Nach erfolgreicher Abstimmung muss das Ergebnis allen Eigentümern mitgeteilt werden. Die Anfechtungsfrist von einem Monat beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlussergebnisses.
In welchen Fällen ist Allstimmigkeit bei Umlaufbeschlüssen zwingend erforderlich?
Nach § 23 Abs. 3 WEG ist für einen Umlaufbeschluss grundsätzlich Allstimmigkeit erforderlich. Dies bedeutet, dass alle im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentümer dem Beschluss ausdrücklich zustimmen müssen.
Grundsätzliche Regelung
Ein Umlaufbeschluss kommt nur zustande, wenn alle folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- Alle im Grundbuch eingetragenen Eigentümer stimmen zu
- Keine Enthaltungen (diese gelten als Ablehnung)
- Keine fehlenden Rückmeldungen
Ausnahme durch Absenkungsbeschluss
Sie können von der Allstimmigkeit nur abweichen, wenn vorab in einer Eigentümerversammlung für einen konkreten Beschlussgegenstand durch einen sogenannten Absenkungsbeschluss festgelegt wurde, dass eine einfache Mehrheit ausreicht. Dieser Absenkungsbeschluss gilt dann ausschließlich für diesen einen Fall und nicht für zukünftige Umlaufbeschlüsse.
Besondere Anwendungsfälle
Die Allstimmigkeit ist besonders relevant bei:
- Änderungen der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung
- Verwalterwechsel von externer zu interner Verwaltung
- Baulichen Veränderungen, die alle Eigentümer erheblich beeinträchtigen
Form und Durchführung
Seit der WEG-Reform 2020 können Umlaufbeschlüsse in Textform erfolgen. Dies bedeutet, Sie können die Abstimmung auch per E-Mail oder anderen digitalen Kommunikationsmitteln durchführen. Die Abstimmungsfrist beträgt mindestens drei Wochen.
Ein Umlaufbeschluss wird erst nach der Verkündung der Ergebnisse wirksam. Diese kann schriftlich, per E-Mail oder durch Aushang im Treppenhaus erfolgen. Eine einmal abgegebene Stimme kann nicht mehr widerrufen werden.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Umlaufbeschluss
Ein Umlaufbeschluss ist eine schriftliche Form der Beschlussfassung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft ohne Durchführung einer Eigentümerversammlung. Dabei werden die Beschlussunterlagen allen Eigentümern zur Abstimmung vorgelegt. Gemäß § 23 Abs. 3 WEG ist dafür grundsätzlich die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich, sofern nicht durch einen vorherigen Beschluss eine Mehrheitsentscheidung zugelassen wurde. Beispiel: Die Eigentümer sollen über die Beauftragung einer Dachrinnenreinigung für 2.000 Euro abstimmen.
Absenkungsbeschluss
Ein Beschluss der Eigentümerversammlung, der festlegt, dass bestimmte künftige Entscheidungen im Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit getroffen werden können, statt der sonst erforderlichen Zustimmung aller Eigentümer. Dies ist nach § 23 Abs. 3 WEG möglich, muss aber die erlaubten Maßnahmen genau definieren. Ein Absenkungsbeschluss könnte zum Beispiel festlegen, dass über Reparaturen bis 10.000 Euro künftig per Umlaufbeschluss mit Mehrheit entschieden werden darf.
Allstimmigkeit
Bezeichnet das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer zu einem Beschluss. Nach § 23 Abs. 3 WEG ist bei Umlaufbeschlüssen grundsätzlich Allstimmigkeit erforderlich, sofern nicht durch einen Absenkungsbeschluss eine Mehrheitsentscheidung zugelassen wurde. Beispiel: Soll im Umlaufverfahren über eine Fassadensanierung entschieden werden, müssen ohne vorherigen Absenkungsbeschluss alle Eigentümer zustimmen.
Pauschalangebot
Ein Angebot, bei dem verschiedene Leistungen zu einem Gesamtpreis zusammengefasst sind und das nur insgesamt angenommen oder abgelehnt werden kann. Im Kontext von WEG-Beschlüssen bedeutet dies, dass bei Ungültigkeit einzelner Teile der gesamte Beschluss unwirksam wird. Beispiel: Ein Handwerker bietet Balkonsanierung, Malerarbeiten und Reinigung zum Pauschalpreis von 60.000 Euro an – einzelne Leistungen können nicht herausgelöst werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 14 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Dieser Paragraph regelt die Instandhaltung und Verwaltung der gemeinschaftlichen Teile des Wohnungseigentums. Er legt fest, welche Maßnahmen von der Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen werden können und welche in das Sondereigentum eines einzelnen Eigentümers fallen. Zudem bestimmt er die Zuständigkeiten und Befugnisse der Gemeinschaft in Bezug auf bauliche Veränderungen.
Im vorliegenden Fall wurde der Beschluss zur Balkonsanierung gefasst, obwohl Teile der Maßnahme das Sondereigentum der einzelnen Eigentümer betreffen. Die Klägerin argumentierte, dass die Gemeinschaft ohne entsprechende Beschlusskompetenz in das Sondereigentum eingegriffen habe, was gemäß § 14 WEG unzulässig ist.
- § 23 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Dieser Paragraph behandelt die Beschlussfähigkeit und die erforderlichen Mehrheiten für Beschlüsse in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Er legt fest, wie viele Eigentümer anwesend sein müssen und welche Mehrheit für bestimmte Arten von Beschlüssen erforderlich ist.
Der angefochtene Umlaufbeschluss zur Balkonsanierung müsste gemäß § 23 WEG die erforderliche Mehrheit und Beschlussfähigkeit erfüllen. Die Klägerin hob hervor, dass die Gemeinschaft möglicherweise nicht die notwendige Mehrheit besaß, insbesondere wenn es um Maßnahmen geht, die das Sondereigentum tangieren.
- § 14 Absatz 1 Nr. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Diese spezielle Bestimmung definiert, welche baulichen Veränderungen und Maßnahmen der Zustimmung aller betroffenen Eigentümer bedürfen, insbesondere wenn sie das Sondereigentum beeinflussen. Sie stellt klar, dass wesentliche Eingriffe in das Sondereigentum nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Eigentümer vorgenommen werden dürfen.
Im vorliegenden Fall beinhaltete der Beschluss zur Balkonsanierung die Ersetzung des Bodenbelags mit Epoxidharz, was einen wesentlichen Eingriff in das Sondereigentum darstellt. Die Klägerin beanstandete, dass die Gemeinschaft ohne die erforderliche Zustimmung der betroffenen Eigentümer solche Maßnahmen beschlossen habe, was nach § 14 Absatz 1 Nr. 2 WEG unzulässig ist.
- Gemeinschaftsordnung (GO): Die Gemeinschaftsordnung ist die Satzung der Wohnungseigentümergemeinschaft und regelt deren interne Abläufe, Rechte und Pflichten der Eigentümer sowie die Modalitäten der Beschlussfassung. Sie kann spezifische Regelungen enthalten, die über das WEG hinausgehen und die Mehrheitserfordernisse oder Zuständigkeiten weiter präzisieren.
In diesem Fall wurde auf die vorgelegte Gemeinschaftsordnung verwiesen, um zu prüfen, ob der Umlaufbeschluss zur Balkonsanierung den in der GO festgelegten Bestimmungen entsprach. Mögliche Abweichungen oder spezifische Anforderungen in der GO könnten die Gültigkeit des Beschlusses beeinflussen.
- § 22 Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Dieser Paragraph regelt die Zuständigkeiten der Verwaltung und deren Befugnisse zur Durchführung von Maßnahmen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen. Er legt fest, inwieweit die Verwaltung im Namen der Gemeinschaft handeln kann und welche Beschlüsse hierfür erforderlich sind.
Die Hausverwaltung wurde gemäß dem Umlaufbeschluss ermächtigt und beauftragt, den Auftrag zur Balkonsanierung zu erteilen. Die Prüfung, ob die Verwaltung im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt hat und ob Beschluss dazu rechtmäßig war, ist entscheidend für die Bewertung der Gültigkeit des Beschlusses.
Das vorliegende Urteil
LG München I – Az.: 1 S 11052/22 WEG – Urteil vom 08.11.2023
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