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Wirksamkeit Mietvertragskündigung eines geschäftsunfähigen Mieters

Er wollte raus aus seiner Wohnung, doch jetzt muss er bleiben. Ein Gericht in Frankfurt erklärte die Kündigung eines Mieters für ungültig. Der Grund: Zum Zeitpunkt seines Entschlusses war der Mann offenbar nicht geschäftsfähig.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 C 570/21 (51) | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: AG Frankfurt
  • Datum: 16.12.2021
  • Aktenzeichen: 33 C 570/21 (51)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Vermieterin einer Wohnung in Frankfurt am Main, die die Räumung und Herausgabe der Wohnung durch den Mieter verlangt.
  • Beklagte: Der Mieter der Wohnung, der sein Mietverhältnis gekündigt hatte, aber zum Zeitpunkt der Kündigung möglicherweise aufgrund einer diagnostizierten akuten paranoiden Schizophrenie nicht geschäftsfähig war.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Mieter kündigte am 4. Mai 2020 sein Mietverhältnis, was die Vermieterin zum 31. Juli 2020 bestätigte. Am 12. Juni 2020 beschädigte der Mieter mit einer Axt eine andere Wohnungstür im Haus und wurde daraufhin zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort wurde eine akute paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Eine Ärztin teilte der Vermieterin mit, dass der Mieter zum Zeitpunkt der Kündigung wahrscheinlich nicht geschäftsfähig war (Zustand, der die Freie Willensbildung ausschließt). Es wurde ein psychiatrisches Gutachten über den Mieter erstellt.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die vom Mieter ausgesprochene Kündigung des Mietvertrages wirksam ist, obwohl er zu diesem Zeitpunkt möglicherweise aufgrund seiner psychischen Erkrankung geschäftsunfähig war.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Klage der Vermieterin auf Räumung und Herausgabe wurde abgewiesen.
  • Folgen: Die Klägerin (Vermieterin) muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Die Entscheidung über die Kosten ist vorläufig vollstreckbar, die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung aber durch eine Sicherheitsleistung abwenden, falls der Beklagte nicht zuvor selbst Sicherheit leistet.

Der Fall vor Gericht


Rechtsstreit um Wohnungskündigung: Gericht weist Räumungsklage ab

Mann prüft Kündigung. Mietrecht, Geschäftsunfähigkeit.
Kündigung eines Mietvertrags bei Geschäftsunfähigkeit | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat die Räumungsklage einer Vermieterin gegen ihren Mieter abgewiesen. Im Zentrum des Verfahrens stand die Frage, ob die vom Mieter selbst ausgesprochene Kündigung seines Mietvertrages wirksam war. Entscheidend war dabei der psychische Gesundheitszustand des Mieters zum Zeitpunkt der Kündigung. Das Gericht folgte offenbar der Argumentation, dass der Mieter geschäftsunfähig gewesen sein könnte.

Die Vorgeschichte: Kündigung und Zwischenfall

Der Mieter bewohnte eine Wohnung der Klägerin in Frankfurt. Im Mai 2020 kündigte der Mieter schriftlich seinen Mietvertrag zum nächstmöglichen Termin. Die Vermieterin bestätigte die Kündigung zum 31. Juli 2020. Kurze Zeit später, am 12. Juni 2020, ereignete sich ein gravierender Vorfall: Der Mieter beschädigte mit einer Axt die Wohnungstür eines Nachbarn im selben Haus.

Psychiatrische Unterbringung und Zweifel an der Geschäftsfähigkeit

Aufgrund des Vorfalls wurde der Mieter zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Eine ärztliche Untersuchung am 16. Juni 2020 ergab die Diagnose einer akuten paranoiden Schizophrenie. Der behandelnde Oberarzt regte daraufhin die Einrichtung einer Eilbetreuung an, da Zweifel an der freien Willensbildung des Mannes bestanden.

Ärztliche Stellungnahme zur Kündigung

Eine Ärztin der Klinik informierte die Vermieterin schriftlich am 23. Juni 2020. Nach ihrer Einschätzung sei davon auszugehen, dass sich der Mieter bereits Wochen oder Monate vor dem Vorfall in einem Zustand befunden habe, der eine freie Willensbildung ausschloss. Dies umfasse mutmaßlich auch den Zeitpunkt, an dem er die Kündigung seiner Wohnung veranlasste.

Sachverständigengutachten bestätigt Diagnose

Ein im Juli 2020 erstelltes psychiatrisches Gutachten durch eine Sachverständige bestätigte die Diagnose einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Die Gutachterin hielt eine Betreuung sowie eine konsequente psychiatrische und medikamentöse Behandlung für dringend erforderlich. Diese Einschätzungen stützten die Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigungserklärung des Mieters.

Reaktion der Vermieterin und weitere Entwicklungen

Bereits im Februar 2020 hatte der Mieter der Vermieterin per E-Mail gedroht, bei Nachbarn einzubrechen. Die Vermieterin mahnte ihn daraufhin ab. Nach dem Axt-Vorfall im Juni wies die Vermieterin den Mieter zwar darauf hin, dass sein Verhalten eine Fristlose Kündigung rechtfertige. Sie sprach diese fristlose Kündigung jedoch ausdrücklich nicht aus, da sie von der Wirksamkeit der Eigenkündigung des Mieters zum 31. Juli 2020 ausging.

Rückkehr des Mieters und Stabilisierung

Der Mieter wurde Ende Oktober 2020 aus der Klinik entlassen und setzte seine Behandlung ambulant fort. Schon ab August 2020 hatte er zeitweise wieder in seiner Wohnung übernachtet und kehrte nach der Entlassung vollständig zurück. Bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens kam es zu keinen weiteren Störungen des Hausfriedens.

Betreuungsverfahren endet ohne Betreuerbestellung

Interessanterweise lehnte das Amtsgericht Frankfurt im April 2021 die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung für den Mieter ab. Das Gericht stellte fest, dass der Mann zum Zeitpunkt der Anhörung gut stabilisiert war, seine Medikamente einnahm und ärztlich betreut wurde. Eine akute Psychose lag nicht mehr vor. Diese Entscheidung bezog sich jedoch auf den Zustand im Jahr 2021, nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung im Mai 2020.

Die Entscheidung des Amtsgerichts: Kündigung unwirksam

Das Amtsgericht Frankfurt wies die Räumungsklage der Vermieterin vollumfänglich ab. Obwohl die Urteilsgründe im Detail nicht vorliegen, ist die zentrale Schlussfolgerung klar: Das Gericht ging offenbar davon aus, dass die Eigenkündigung des Mieters vom 4. Mai 2020 unwirksam war.

Juristischer Hintergrund: Geschäftsunfähigkeit

Nach § 104 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist geschäftsunfähig, wer sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, der die freie Willensbildung ausschließt. Eine Willenserklärung, wie eine Kündigung, die in diesem Zustand abgegeben wird, ist nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig, also von Anfang an unwirksam. Die ärztlichen Berichte und Gutachten lieferten hierfür offenbar ausreichende Anhaltspunkte.

Konsequenzen für die Vermieterin

Da die Eigenkündigung des Mieters als unwirksam angesehen wurde, bestand das Mietverhältnis unverändert fort. Die Vermieterin hatte es versäumt, ihrerseits eine wirksame Kündigung auszusprechen, insbesondere nach dem Vorfall mit der Axt. Ihr Verweis auf die (unwirksame) Eigenkündigung des Mieters genügte nicht, um das Mietverhältnis zu beenden. Die Klage auf Räumung war somit unbegründet. Die Kosten des Verfahrens muss die Vermieterin tragen.

Bedeutung für Betroffene: Schutz in psychischen Krisen

Das Urteil unterstreicht den gesetzlichen Schutz von Personen, die aufgrund einer psychischen Erkrankung vorübergehend oder dauerhaft nicht geschäftsfähig sind. Ihre rechtlichen Erklärungen, die sie in einem solchen Zustand abgeben, entfalten keine Wirkung. Dies schützt Betroffene davor, sich in einer Krise unüberlegt rechtlich zu binden oder Nachteile zu erleiden, wie den Verlust der eigenen Wohnung.

Wichtigkeit der Abgrenzung

Für Vertragspartner, wie Vermieter, bedeutet dies, dass sie bei Anzeichen einer möglichen Geschäftsunfähigkeit ihres Gegenübers Vorsicht walten lassen müssen. Sie können sich nicht ohne Weiteres auf Erklärungen verlassen, die unter solchen Umständen abgegeben wurden. Im Zweifel müssen sie die Geschäftsfähigkeit prüfen lassen oder eigene, rechtlich fundierte Schritte einleiten.

Notwendigkeit eigener Kündigungsgründe

Das Urteil macht deutlich: Auch wenn ein Mieter selbst kündigt, sollte ein Vermieter bei Vorliegen eigener Kündigungsgründe (wie hier die erhebliche Störung des Hausfriedens) diese geltend machen und eine eigene Kündigung aussprechen. Sich allein auf die Kündigung eines möglicherweise geschäftsunfähigen Mieters zu verlassen, birgt das Risiko, dass das Mietverhältnis fortbesteht und eine Räumungsklage scheitert.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass durch psychische Erkrankungen bedingte Willensäußerungen (hier eine Mietkündigung) rechtlich unwirksam sein können, wenn die freie Willensbildung zum Zeitpunkt der Erklärung ausgeschlossen war. Ein Vermieter kann nicht auf einer Kündigung bestehen, die ein Mieter in einem psychisch beeinträchtigten Zustand ausgesprochen hat, selbst wenn er dies nicht erkennen konnte. Auch bei schwerwiegenden Vorfällen (wie einer Sachbeschädigung mit einer Axt) kann eine fristlose Kündigung unwirksam sein, wenn der Mieter zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war und sich sein Zustand nachweislich stabilisiert hat.

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Geschäftsunfähigkeit bei Mietverträgen: Schutz und Risiken

Wenn Mieter oder Vermieter in einer psychischen Krise Erklärungen abgeben, kann dies rechtliche Konsequenzen haben. Insbesondere bei einer Kündigung kann die Geschäftsfähigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Wenn Zweifel an der freien Willensbildung bestehen, sollten Vertragspartner Vorsicht walten lassen und eigene rechtliche Schritte prüfen.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der Klärung solcher komplexen Rechtsfragen. Wir prüfen Ihre Situation sorgfältig und entwickeln eine auf Ihren Fall zugeschnittene Strategie. So können Sie sicher sein, dass Ihre Interessen wirksam vertreten werden.

Ersteinschätzung anfragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Geschäftsunfähigkeit im Zusammenhang mit einem Mietvertrag?

Geschäftsunfähigkeit bedeutet, dass eine Person rechtlich nicht in der Lage ist, eigenständig wirksame Verträge abzuschließen oder rechtlich bindende Erklärungen abzugeben. Stellen Sie sich das wie eine rechtliche Handlungsunfähigkeit vor. Im Zusammenhang mit einem Mietvertrag ist dies besonders wichtig, wenn es um den Abschluss des Vertrags oder dessen Kündigung geht.

Wann gilt eine Person als geschäftsunfähig?

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es klare Regeln, wer als geschäftsunfähig gilt (§ 104 BGB):

  • Kinder unter sieben Jahren sind immer geschäftsunfähig.
  • Erwachsene, die sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, der ihre freie Willensbildung dauerhaft ausschließt. Das bedeutet, die Person kann aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen Behinderung (wie zum Beispiel einer fortgeschrittenen Demenz) die Bedeutung und die Folgen ihrer Entscheidung nicht mehr verstehen oder ihren Willen nicht mehr danach ausrichten. Wichtig ist hierbei der dauerhafte Charakter der Störung.

Die Geschäftsunfähigkeit muss also auf einer dauerhaften Beeinträchtigung beruhen, die verhindert, dass die Person vernünftig entscheiden kann.

Welche Folgen hat Geschäftsunfähigkeit für eine Mietvertragskündigung?

Die wichtigste Folge ist: Eine Willenserklärung einer geschäftsunfähigen Person ist rechtlich nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB). „Nichtig“ bedeutet, sie ist von Anfang an ungültig und hat keinerlei rechtliche Wirkung.

Für eine Mietvertragskündigung heißt das konkret:

  • Spricht eine geschäftsunfähige Person selbst die Kündigung ihres Mietvertrags aus (egal ob mündlich oder schriftlich), ist diese Kündigung unwirksam. Der Mietvertrag besteht unverändert weiter.
  • Genauso wäre auch ein Mietvertrag, den eine geschäftsunfähige Person selbst abschließt, von Anfang an unwirksam.
  • Nur ein gesetzlicher Vertreter (bei Kindern die Eltern, bei Erwachsenen oft ein gerichtlich bestellter Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis, z.B. Wohnungsangelegenheiten) kann wirksam für die geschäftsunfähige Person handeln, also zum Beispiel einen Mietvertrag kündigen oder abschließen.

Es gibt zwar eine Ausnahme für volljährige Geschäftsunfähige bei kleinen Bargeschäften des täglichen Lebens (§ 105a BGB), diese gilt jedoch ausdrücklich nicht für wichtige Verträge wie einen Mietvertrag oder dessen Kündigung.

Wie wird Geschäftsunfähigkeit festgestellt?

Geschäftsunfähigkeit wird nicht automatisch durch eine bestimmte Diagnose oder die Bestellung eines Betreuers festgestellt. Sie ist eine rechtliche Bewertung, die sich auf den konkreten Zeitpunkt der Handlung (z.B. der Kündigung) bezieht.

  • Im Streitfall, also wenn zum Beispiel der Vermieter die Wirksamkeit einer Kündigung durch einen Betreuer anzweifelt oder umgekehrt die Unwirksamkeit einer Kündigung durch den Mieter selbst geltend gemacht wird, muss die Geschäftsunfähigkeit bewiesen werden.
  • Ärztliche Gutachten spielen dabei eine zentrale Rolle. Ein Arzt oder Psychiater beurteilt den geistigen Zustand der Person zum relevanten Zeitpunkt.
  • Letztendlich entscheidet ein Gericht auf Grundlage aller Beweise (Gutachten, Zeugenaussagen, persönliche Anhörung etc.), ob die Person zum Zeitpunkt der Erklärung (z.B. der Kündigung) geschäftsunfähig war oder nicht. Die Bestellung eines Betreuers ist ein wichtiges Indiz, aber kein automatischer Beweis für Geschäftsunfähigkeit.

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Wie wirkt sich eine Geschäftsunfähigkeit des Mieters auf eine von ihm ausgesprochene Kündigung aus?

Eine Kündigung, die von einem Mieter ausgesprochen wird, der geschäftsunfähig ist, ist grundsätzlich nichtig. Das bedeutet, sie ist von Anfang an rechtlich unwirksam und löst keine Rechtsfolgen aus.

Was bedeutet Geschäftsunfähigkeit?

Geschäftsunfähig ist nach dem Gesetz (§ 104 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) jemand, der seinen Willen nicht frei und vernünftig bestimmen kann, weil er:

  • noch nicht sieben Jahre alt ist oder
  • sich dauerhaft in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, der eine freie Willensbildung ausschließt.

Eine Kündigung ist eine sogenannte Willenserklärung. Gibt eine geschäftsunfähige Person eine solche Erklärung ab, ist diese von Gesetzes wegen nichtig (§ 105 BGB). Sie entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung.

Folgen für den Mietvertrag

Wenn die Kündigung des Mieters wegen dessen Geschäftsunfähigkeit nichtig ist, hat das folgende Konsequenzen:

  • Die Kündigung ist ungültig und wird so behandelt, als hätte es sie nie gegeben.
  • Der Mietvertrag besteht unverändert fort. Alle Rechte und Pflichten aus dem Vertrag bleiben für Mieter und Vermieter bestehen, insbesondere die Pflicht zur Mietzahlung.
  • Der Vermieter kann sich nicht auf diese unwirksame Kündigung berufen, um die Wohnung zu räumen.

Wer kann für den Mieter handeln?

Ist ein Mieter geschäftsunfähig, können rechtlich wirksame Erklärungen, wie eine Kündigung des Mietvertrags, nur durch seinen gesetzlichen Vertreter abgegeben werden. Dies ist in der Regel ein vom Gericht bestellter Betreuer, dessen Aufgabenkreis die entsprechenden Angelegenheiten (z.B. Wohnungsangelegenheiten oder Vermögenssorge) umfasst. Nur eine durch den gesetzlichen Vertreter ausgesprochene Kündigung kann das Mietverhältnis wirksam beenden.


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Welche Anzeichen deuten auf eine mögliche Geschäftsunfähigkeit eines Mieters hin, und wie sollte ein Vermieter darauf reagieren?

Geschäftsunfähigkeit bedeutet nach dem Gesetz (§ 104 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), dass eine Person aufgrund einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung und die Folgen ihrer Entscheidungen zu verstehen und danach zu handeln. Rechtliche Erklärungen einer geschäftsunfähigen Person sind in der Regel unwirksam. Das gilt auch im Mietverhältnis.

Mögliche Anzeichen für Geschäftsunfähigkeit

Es gibt keine festen Regeln, wann jemand geschäftsunfähig ist. Die Beurteilung ist immer eine Einzelfallentscheidung, die letztlich nur durch ein Gericht oder einen Sachverständigen getroffen werden kann. Als Vermieter können Sie jedoch auf bestimmte Verhaltensweisen oder Umstände achten, die ernsthafte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit begründen könnten:

  • Starke und anhaltende Verwirrtheit: Der Mieter erkennt vielleicht vertraute Personen oder die Umgebung nicht mehr, wirkt zeitlich oder örtlich desorientiert.
  • Erhebliche Schwierigkeiten, einfache Sachverhalte zu verstehen: Der Mieter kann Gesprächen kaum folgen oder die Bedeutung von Dokumenten (z.B. Schreiben des Vermieters) offensichtlich nicht erfassen.
  • Unfähigkeit, logische Zusammenhänge zu erkennen oder Entscheidungen zu treffen: Dies kann sich zum Beispiel bei Absprachen oder der Regelung von Mietangelegenheiten zeigen.
  • Wahnvorstellungen oder Halluzinationen: Wenn der Mieter Dinge wahrnimmt oder Überzeugungen äußert, die offensichtlich nicht der Realität entsprechen und sein Handeln stark beeinflussen.
  • Völlige Unfähigkeit, die eigene Situation realistisch einzuschätzen: Der Mieter erkennt beispielsweise nicht die Notwendigkeit, Miete zu zahlen oder auf wichtige Schreiben zu reagieren.
  • Massive Verwahrlosung der Wohnung oder der eigenen Person: Dies kann ein Indiz sein, ist aber für sich allein genommen oft kein ausreichender Beleg für Geschäftsunfähigkeit.

Wichtig ist: Einzelne dieser Anzeichen oder vorübergehende Auffälligkeiten bedeuten nicht automatisch Geschäftsunfähigkeit. Auch hohes Alter allein ist kein Grund. Es müssen deutliche, schwerwiegende und dauerhafte Beeinträchtigungen vorliegen.

Reaktion des Vermieters bei begründeten Zweifeln

Ein Vermieter hat eine gewisse Sorgfaltspflicht. Wenn sehr deutliche Anzeichen für eine mögliche Geschäftsunfähigkeit vorliegen, sollte er diese nicht einfach ignorieren, insbesondere wenn wichtige rechtliche Schritte wie eine Kündigung anstehen.

  • Keine Eigendiagnose: Als Vermieter können und dürfen Sie keine medizinische oder juristische Diagnose stellen. Ihre Beobachtungen sind lediglich Anhaltspunkte.
  • Vorsichtige Kontaktaufnahme: Wenn möglich und bekannt, kann versucht werden, Kontakt zu Angehörigen oder bekannten Vertrauenspersonen des Mieters aufzunehmen, um auf die Situation hinzuweisen und Unterstützung für den Mieter anzuregen. Hierbei sind Datenschutzaspekte zu beachten.
  • Anregung einer gesetzlichen Betreuung: Bestehen erhebliche und anhaltende Zweifel an der Geschäftsfähigkeit und ist der Mieter dadurch gefährdet oder kann seine Angelegenheiten (z.B. Mietzahlung, Erhalt der Wohnung) nicht mehr selbst regeln, kann jedermann beim zuständigen Betreuungsgericht (Teil des Amtsgerichts am Wohnort des Mieters) eine gesetzliche Betreuung anregen. Das Gericht prüft dann von Amts wegen, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung vorliegen und bestellt gegebenenfalls einen Betreuer für bestimmte Aufgabenbereiche (z.B. Wohnungsangelegenheiten, Vermögenssorge). Dies ist eine Möglichkeit, keine Pflicht des Vermieters. Ein ärztliches Gutachten kann der Vermieter nicht selbst einholen; dies geschieht nur im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens oder durch den Betroffenen selbst bzw. mit dessen Zustimmung.

Bedeutung für das Mietverhältnis und die Kündigung

Wenn ein Mieter nachweislich geschäftsunfähig ist, hat das wichtige Konsequenzen:

  • Unwirksamkeit von Erklärungen: Rechtliche Erklärungen, die Sie als Vermieter gegenüber einem geschäftsunfähigen Mieter abgeben (z.B. eine Mahnung, eine Kündigung), sind unwirksam. Sie entfalten keine rechtliche Wirkung.
  • Handeln gegenüber dem Betreuer: Ist ein gesetzlicher Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis die Wohnungs- oder Vermögensangelegenheiten umfasst, müssen alle rechtlich relevanten Erklärungen (insbesondere eine Kündigung) an den Betreuer gerichtet werden. Nur so können sie wirksam werden.
  • Vertragsabschluss: Wurde der Mietvertrag abgeschlossen, als der Mieter bereits geschäftsunfähig war (und kein Betreuer mitgewirkt hat), ist der Vertrag von Anfang an unwirksam.

Das Vorliegen von Geschäftsunfähigkeit ist eine komplexe Frage mit erheblichen rechtlichen Folgen, gerade auch im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Kündigung.


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Kann ein Vermieter, der von der Geschäftsunfähigkeit eines Mieters wusste, später eine eigene Kündigung auf diese Tatsache stützen?

Nein, ein Vermieter kann einen Mietvertrag grundsätzlich nicht allein deshalb kündigen, weil der Mieter geschäftsunfähig ist oder wurde, insbesondere dann nicht, wenn der Vermieter bereits bei Vertragsschluss oder während des laufenden Mietverhältnisses davon wusste. Die Geschäftsunfähigkeit als solche stellt keinen gesetzlichen Kündigungsgrund für einen bestehenden Mietvertrag dar.

Warum ist die Geschäftsunfähigkeit allein kein Kündigungsgrund?

Geschäftsunfähigkeit bedeutet nach dem Gesetz (§ 104 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), dass eine Person aufgrund ihres Alters (unter 7 Jahren) oder wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, ihren Willen frei und unbeeinflusst zu bestimmen und rechtsgültige Verträge abzuschließen.

  • Vertragsschluss: Wenn ein Mieter schon bei Abschluss des Mietvertrags geschäftsunfähig war und kein gesetzlicher Vertreter (wie ein Betreuer) den Vertrag für ihn geschlossen oder genehmigt hat, ist der Mietvertrag in der Regel von Anfang an unwirksam (§ 105 BGB). In diesem Fall müsste der Vermieter nicht kündigen, da es keinen gültigen Vertrag gibt. Er könnte sich aber auch nicht auf einen Vertrag berufen.
  • Bestehender Vertrag: Ist der Mietvertrag jedoch wirksam zustande gekommen (z.B. weil der Mieter erst später geschäftsunfähig wurde oder ein Vertreter gehandelt hat), bleibt er bestehen. Die spätere Geschäftsunfähigkeit des Mieters ist kein Grund, der den Vermieter automatisch zur Kündigung berechtigt. Die Kündigungsgründe für Vermieter sind im Gesetz festgelegt (z.B. in §§ 543, 573 BGB) und die Geschäftsunfähigkeit gehört nicht dazu.

Was bedeutet das Wissen des Vermieters?

Wenn ein Vermieter wissentlich einen Vertrag mit einer geschäftsunfähigen Person schließt (ohne Beteiligung eines Vertreters) oder das Mietverhältnis trotz Kenntnis der Geschäftsunfähigkeit über längere Zeit fortführt, kann er sich später in der Regel nicht einfach auf diese Geschäftsunfähigkeit berufen, um den Vertrag zu beenden. Ein solches Verhalten könnte als widersprüchlich angesehen werden (Verstoß gegen den Grundsatz von „Treu und Glauben“, § 242 BGB). Man kann nicht etwas erst akzeptieren und sich später zum eigenen Vorteil darauf berufen, dass es von Anfang an problematisch war.

Wann könnte eine Kündigung dennoch möglich sein?

Auch wenn die Geschäftsunfähigkeit selbst kein Kündigungsgrund ist, kann der Vermieter den Mietvertrag unter Umständen trotzdem kündigen, wenn andere, gesetzlich anerkannte Kündigungsgründe vorliegen. Diese Gründe müssen aber unabhängig von der reinen Tatsache der Geschäftsunfähigkeit bestehen.

  • Beispiele für Kündigungsgründe:
    • Erhebliche Vertragsverletzungen: Wenn der Mieter (oder sein Betreuer) seine mietvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Das können zum Beispiel erhebliche Mietrückstände sein oder massive und andauernde Störungen des Hausfriedens, die auch für andere Mieter unzumutbar sind.
    • Eigenbedarf: Wenn der Vermieter die Wohnung selbst benötigt (§ 573 BGB).

Wichtig ist: Auch wenn solche Kündigungsgründe vorliegen, muss geprüft werden, ob die Vertragsverletzung dem Mieter aufgrund seiner gesundheitlichen Situation (die zur Geschäftsunfähigkeit führt) überhaupt vorgeworfen werden kann. Bei Mietrückständen ist dies oft weniger relevant als bei Verhaltensweisen. Wenn ein gesetzlicher Betreuer für den Mieter bestellt ist, ist dieser der Ansprechpartner für den Vermieter und für die Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten verantwortlich. Eine Kündigung müsste dann auch dem Betreuer gegenüber erklärt werden.


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Was passiert, wenn ein Mieter nach einer Phase der Geschäftsunfähigkeit wieder geschäftsfähig wird? Bleibt die zuvor ausgesprochene Kündigung unwirksam?

Ja, eine Kündigung, die während einer Phase der Geschäftsunfähigkeit ausgesprochen wurde, bleibt grundsätzlich unwirksam, auch wenn der Mieter später wieder geschäftsfähig wird.

Die ursprüngliche Kündigung während der Geschäftsunfähigkeit

Eine Person, die geschäftsunfähig ist, kann rechtlich keine wirksamen Willenserklärungen abgeben. Das bedeutet, sie kann keine Verträge schließen oder eben auch keine Kündigungen aussprechen, die rechtliche Folgen haben. Eine Kündigung ist eine solche Willenserklärung.

  • Gesetzliche Grundlage: Nach § 105 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Nichtig bedeutet hier: Sie ist von Anfang an rechtlich nicht existent und entfaltet keine Wirkung.
  • Folge: Die Kündigung, die der Mieter im Zustand der Geschäftsunfähigkeit erklärt hat, hat den Mietvertrag niemals wirksam beendet. Der Mietvertrag besteht unverändert fort.

Situation nach Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit

Wenn der Mieter seine Geschäftsfähigkeit wiedererlangt, ändert das nichts an der früheren Unwirksamkeit der Kündigung. Die alte Kündigung wird dadurch nicht nachträglich gültig.

  • Neue Kündigung erforderlich: Möchte der nun wieder geschäftsfähige Mieter den Mietvertrag beenden, muss er eine neue, wirksame Kündigung aussprechen. Diese muss den gesetzlichen Anforderungen genügen, insbesondere muss sie schriftlich erfolgen (§ 568 Abs. 1 BGB) und dem Vermieter zugehen.
  • Kündigungsfristen beachten: Für diese neue Kündigung gelten die normalen gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen. Für Mieter von Wohnraum beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist in der Regel drei Monate (§ 573c Abs. 1 BGB). Die Frist beginnt erst mit dem Zugang der neuen, wirksamen Kündigung beim Vermieter zu laufen. Die Zeit, die seit der unwirksamen Kündigung vergangen ist, spielt für die Fristberechnung keine Rolle.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die während der Geschäftsunfähigkeit ausgesprochene Kündigung ist und bleibt unwirksam. Der Mieter muss nach Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit erneut kündigen, wenn er das Mietverhältnis beenden möchte, wobei dann die üblichen Fristen neu beginnen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Räumungsklage

Eine Räumungsklage ist eine Klage vor Gericht, mit der ein Vermieter erreichen will, dass der Mieter die gemietete Wohnung oder das gemietete Haus verlässt und zurückgibt. Sie wird notwendig, wenn der Mieter trotz einer wirksamen Beendigung des Mietverhältnisses (z. B. durch Kündigung) nicht freiwillig auszieht. Gesetzlich geregelt ist der Anspruch auf Rückgabe der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses in § 546 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Im vorliegenden Fall hat die Vermieterin die Räumungsklage eingereicht, weil sie davon ausging, dass die Kündigung des Mieters wirksam war und dieser deshalb zum Auszug verpflichtet sei. Da das Gericht die Kündigung aber für unwirksam hielt, wurde die Klage abgewiesen.

Beispiel: Ein Mieter zahlt mehrere Monate keine Miete. Der Vermieter kündigt ihm fristlos und fordert ihn zum Auszug auf. Zieht der Mieter nicht aus, kann der Vermieter Räumungsklage erheben.


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Geschäftsunfähigkeit

Geschäftsunfähigkeit bedeutet, dass eine Person rechtlich nicht in der Lage ist, wirksame Willenserklärungen abzugeben, also zum Beispiel Verträge zu schließen oder zu kündigen. Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, der die freie Willensbildung ausschließt, sofern dieser Zustand nicht nur vorübergehend ist. Im konkreten Fall ging das Gericht davon aus, dass der Mieter zum Zeitpunkt seiner Kündigungserklärung aufgrund seiner akuten paranoiden Schizophrenie geschäftsunfähig gewesen sein könnte. Dies führte dazu, dass seine Kündigung als unwirksam betrachtet wurde.

Beispiel: Eine Person mit fortgeschrittener Demenz, die ihre Handlungen nicht mehr rational steuern kann, kauft ein teures Auto. Dieser Kaufvertrag ist wegen Geschäftsunfähigkeit unwirksam.


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Freie Willensbildung

Freie Willensbildung bezeichnet die Fähigkeit einer Person, Entscheidungen unbeeinflusst von krankhaften Störungen oder äußeren Zwängen nach eigener, vernunftgeleiteter Überlegung zu treffen. Sie ist eine Voraussetzung für die Geschäftsfähigkeit. Wenn jemand aufgrund einer psychischen Erkrankung – wie im Fall des Mieters die angenommene paranoide Schizophrenie – nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen frei zu bilden und die Tragweite seiner Entscheidungen zu verstehen, liegt laut § 104 Nr. 2 BGB Geschäftsunfähigkeit vor. Die Ärztin äußerte Zweifel an der freien Willensbildung des Mieters zum Zeitpunkt der Kündigung.


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Willenserklärung

Eine Willenserklärung ist eine Äußerung einer Person, die darauf abzielt, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Das kann zum Beispiel der Abschluss eines Kaufvertrages, die Annahme eines Angebots oder eben die Kündigung eines Mietvertrages sein. Damit eine Willenserklärung wirksam ist, muss die erklärende Person in der Regel geschäftsfähig sein. Im Fall des Mieters war die schriftliche Kündigung seines Mietvertrages eine solche Willenserklärung, deren Wirksamkeit wegen möglicher Geschäftsunfähigkeit nach § 105 Abs. 1 BGB in Frage stand.

Beispiel: Wenn Sie im Supermarkt eine Ware auf das Kassenband legen und bezahlen wollen, geben Sie durch dieses Verhalten eine Willenserklärung zum Abschluss eines Kaufvertrages ab.


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Nichtigkeit

Nichtigkeit bedeutet, dass ein Rechtsgeschäft (z. B. ein Vertrag oder eine Kündigung) von Anfang an rechtlich unwirksam ist, so als hätte es nie existiert. Es entfaltet keinerlei rechtliche Wirkungen. Ein Grund für die Nichtigkeit einer Willenserklärung ist gemäß § 105 Abs. 1 BGB die Abgabe durch eine geschäftsunfähige Person. Da das Gericht im vorliegenden Fall annahm, der Mieter sei bei seiner Kündigung geschäftsunfähig gewesen, war seine Kündigungserklärung nichtig. Das Mietverhältnis bestand also ununterbrochen fort.

Beispiel: Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (z. B. Drogenhandel), ist nach § 134 BGB nichtig.


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Fristlose Kündigung

Eine fristlose Kündigung beendet ein Dauerschuldverhältnis, wie zum Beispiel einen Mietvertrag, sofort und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Sie ist nur aus einem „wichtigen Grund“ zulässig (§ 543 BGB für Mietverhältnisse). Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung nicht zugemutet werden kann. Im Text wird erwähnt, dass die Vermieterin nach dem Vorfall mit der Axt zwar einen Grund für eine fristlose Kündigung gehabt hätte (erhebliche Störung des Hausfriedens), diese aber ausdrücklich nicht ausgesprochen hat, weil sie auf die Eigenkündigung des Mieters vertraute.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • §§ 104, 105 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Geschäftsunfähigkeit, Nichtigkeit: Diese Paragraphen regeln, dass Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen, wie z.B. Menschen mit einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, die freie Willensbestimmung ausschließt, nichtig sind. Das bedeutet, dass solche Erklärungen rechtlich keine Wirkung entfalten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da das Gericht die Kündigung des Mieters aufgrund seiner psychischen Erkrankung und der damit einhergehenden Geschäftsunfähigkeit als unwirksam ansah, war die Kündigung rechtlich nicht existent und der Mietvertrag bestand fort.
  • Mietvertragliche Vereinbarungen: Ein Mietvertrag begründet Rechte und Pflichten für Vermieter und Mieter, wie z.B. die Pflicht des Mieters zur Mietzahlung und die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung der Mietsache. Die genauen Inhalte ergeben sich aus dem individuellen Mietvertrag und den gesetzlichen Regelungen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der bestehende Mietvertrag ist die Grundlage des gesamten Rechtsstreits. Ohne wirksame Kündigung bleibt der Mietvertrag bestehen und der Vermieter hat keinen Anspruch auf Räumung.
  • § 543 BGB – Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund: Dieser Paragraph ermöglicht sowohl Mietern als auch Vermietern, das Mietverhältnis aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Ein wichtiger Grund kann beispielsweise eine erhebliche Störung des Hausfriedens sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl der Vermieter hier keine fristlose Kündigung ausgesprochen hat, ist dieser Paragraph relevant, da das Verhalten des Mieters (Axt-Vorfall) potenziell einen solchen wichtigen Grund hätte darstellen können. Das Gericht hat jedoch die Räumungsklage abgewiesen, was impliziert, dass selbst ein solches Verhalten in der konkreten Situation (wegen der Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Vorfalls und der Stabilisierung des Mieters) nicht zur Räumung führt.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Vermieter zum Thema Kündigung durch einen möglicherweise geschäftsunfähigen Mieter

Sie haben von Ihrem Mieter eine Kündigung erhalten, aber sein Verhalten oder seine gesundheitliche Situation geben Anlass zu Zweifeln? Manchmal kann der Geisteszustand eines Mieters zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung entscheidend sein. Hier einige Punkte, die Sie als Vermieter beachten sollten, wenn Sie Anhaltspunkte für eine mögliche Geschäftsunfähigkeit haben.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.

Tipp 1: Zweifel an der Geschäftsfähigkeit ernst nehmen
Wenn Sie eine Kündigung erhalten und konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass der Mieter zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung möglicherweise geschäftsunfähig war (z. B. durch ärztliche Mitteilungen, einen gesetzlichen Betreuer oder offensichtlich verwirrtes Verhalten im Zusammenhang mit der Kündigung), sollten Sie die Wirksamkeit der Kündigung nicht vorschnell annehmen. Eine Kündigung, die in einem Zustand der Geschäftsunfähigkeit erklärt wird, ist nach § 105 Abs. 1 BGB nichtig.

⚠️ ACHTUNG: Verlassen Sie sich nicht blind auf eine Kündigung, wenn ernsthafte Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Mieters zum Kündigungszeitpunkt bestehen. Eine Räumungsklage auf Basis einer unwirksamen Kündigung wird abgewiesen, und Sie tragen die Kosten des Verfahrens.


Tipp 2: Was bedeutet Geschäftsunfähigkeit im Mietrecht?
Geschäftsunfähigkeit liegt vor, wenn jemand nicht in der Lage ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit zu bilden (§ 104 Nr. 2 BGB). Es kommt auf den Zustand im Moment der Abgabe der Kündigungserklärung an. Eine diagnostizierte psychische Erkrankung (wie im Beispielfall eine akute paranoide Schizophrenie) kann zur Geschäftsunfähigkeit führen, muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass jede Willenserklärung unwirksam ist. Entscheidend ist, ob die freie Willensbildung bei der konkreten Handlung (hier: Kündigung) ausgeschlossen war.


Tipp 3: Beweislast liegt bei dem, der sich auf Geschäftsunfähigkeit beruft
Grundsätzlich wird von der Geschäftsfähigkeit einer volljährigen Person ausgegangen. Wenn nach Zugang einer Kündigung der Mieter (oder sein Vertreter) behauptet, er sei zum Kündigungszeitpunkt geschäftsunfähig gewesen, muss er dies im Streitfall beweisen. Oft geschieht dies durch ärztliche Atteste oder psychiatrische Gutachten, die den Zustand zum relevanten Zeitpunkt beurteilen. Als Vermieter sollten Sie solche Einwände nicht ignorieren, aber auch kritisch prüfen (lassen), ob die vorgelegten Beweise überzeugend sind.


Tipp 4: Rolle eines eventuellen gesetzlichen Betreuers prüfen
Ist für den Mieter ein gesetzlicher Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis auch Wohnungsangelegenheiten umfasst, kann dies die Wirksamkeit einer Kündigung durch den Mieter selbst beeinflussen. Insbesondere wenn ein Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) für diesen Bereich angeordnet ist, benötigt der Mieter für die Kündigung die Zustimmung des Betreuers. Eine ohne diese Zustimmung erklärte Kündigung wäre dann (bis zur Genehmigung) unwirksam. Erkundigen Sie sich gegebenenfalls (z. B. beim Betreuungsgericht oder direkt beim Betreuer), ob eine Betreuung besteht und welche Aufgabenkreise und Vorbehalte angeordnet sind.

Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Der Nachweis der Geschäftsunfähigkeit rückwirkend für einen bestimmten Zeitpunkt kann schwierig sein. Gerichte stützen sich hier oft maßgeblich auf ärztliche Einschätzungen und Gutachten. Eine nur vorübergehende Störung (z. B. durch starke Medikamente oder einen akuten Schub einer Erkrankung) kann ebenfalls zur Geschäftsunfähigkeit führen, wenn sie im Moment der Kündigungserklärung die freie Willensbildung ausschloss. Die bloße Bestätigung des Kündigungseingangs durch Sie als Vermieter heilt eine unwirksame Kündigung nicht.

✅ Checkliste: Kündigung durch Mieter mit möglicher Geschäftsunfähigkeit

  • Liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit des Mieters zum Zeitpunkt der Kündigung vor (ärztliche Infos, Betreuerhinweis, auffälliges Verhalten)?
  • Ist ein gesetzlicher Betreuer für Wohnungsangelegenheiten bestellt? Besteht ein Einwilligungsvorbehalt?
  • Wurden Beweise für die behauptete Geschäftsunfähigkeit vorgelegt (Atteste, Gutachten)?
  • Haben Sie die Wirksamkeit der Kündigung kritisch geprüft, bevor Sie weitere Schritte (z. B. Räumungsklage) einleiten?
  • Im Zweifel: Rechtlichen Rat einholen, um das Risiko eines erfolglosen und kostspieligen Rechtsstreits zu minimieren.

Das vorliegende Urteil


AG Frankfurt – Az.: 33 C 570/21 (51) – Urteil vom 16.12.2021


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